12.6.'15

Hansjörg Auer

Der Ötzaler Allround-Alpinist wurde 2007 durch seine Free Solo-Begehung der Route „Weg durch den Fisch“ (IX-) an der Marmolada Südwand in der Kletterwelt schlagartig berühmt. Was einen Free Solo Kletterer ausmacht und warum man Free Solo-Begehungen „eigentlich nicht machen sollte“, erzählt er im folgenden Interview.

 

Hansjörg Auger
Text: Sabine Aigner
Foto: Simon Rainer

 

Du bist die Marmolada-Südwand Route „Weg durch den Fisch“ free solo geklettert. Gibt es etwas Vergleichbares?
Man muss zwischen Mehrseillängen-Free Solos und Sportkletterrouten-Free Solos unterscheiden. Von letzteren gibt es viel schwerere. Bei den Mehrseillängentouren gehört der „Fisch“ sicherlich zu den schwersten Free Solos, die gemacht wurden. Aber die Art der Kletterei ist auch entscheidend. Risse free solo zu klettern ist etwas anderes als Platten free solo zu gehen. Der „Fisch“ ist wegen der Art der Kletterei sehr, sehr schwer free solo zu gehen, manche Stellen kann man nicht 100% sicher klettern.

 

Welche Charakterzüge sind für einen Free Solo Kletterer Voraussetzung?
Es kommt darauf an, welche Routen man free solo klettert. Es gibt sehr viele Kletterer, die 6er-Routen in den Dolomiten free solo klettern. Free Solo hat seinen Reiz, deshalb wollen es viele ausprobieren. Für andere Sachen, die weit über diesen Schwierigkeiten sind, muss man schon ein spezieller Typ sein. Es hängt viel davon ab, ob du den richten Moment finden kannst. Mein letztes großes Free Solo war 2011, und es ist nicht so, dass ich das nicht mehr kann oder mag, aber es war nie mehr der richtige Zeitpunkt da. Die richtig schweren Free Solos kann man nicht planen oder ausmachen. Aber ganz abgesehen davon, man muss ein frecher Typ sein, einer der sagt: „Okay, das geht, das mach‘ ich!“. Und das kann man nicht trainieren. Wenn man jahrelang über eine Free Solo-Begehung nachdenkt, wird man sie nie machen.

 

Wie bereitest du dich auf eine Free Solo Begehung vor?
Ich kann euch sagen, wie es beim „Bayerischen Traum“ an der Schüsselkarspitze war. Wir kletterten die Route „Hexentanz der Nerven“ und seilten uns über den „Bayerischen Traum“ ab. An einem Abseilstand dachte ich mir, wie lässig es wäre, ohne Seil da hinauf zu klettern. Der Gedanke ließ mich nicht mehr los, und drei Tage später war ich oben. Ich sehe mir die schweren Stellen immer einmal von oben an, durch abseilen. Ich wollte mir beim Einstieg sogar einreden, dass es überhaupt nicht vernünftig ist, ohne Seil da hinauf zu klettern. Aber für diesen Gedanken war kein Platz mehr in meinem Kopf. Die Entscheidung, dass ich diese Route free solo klettern werde, passierte Tage vorher.

Angst hatte ich nur, meinen Freunden von meinen Free Solos zu erzählen. Ich habe sie heimlich gemacht, weil ich dachte, sie halten mich für verrückt.

Hast du Angst, während du free solo kletterst?
Wenn ich ohne Seil klettere und es ist der richtige Moment, dann fühle ich mich total sicher. Ich denke nicht ans Abstürzen. Das darf man auch nicht, sonst dürfte man nicht free solo klettern. Ich bin generell ein Typ, der mit dem Risiko spielt und gern ans Limit geht. Angst hatte ich nur, meinen Freunden von meinen Free Solos zu erzählen. Ich habe sie heimlich gemacht, weil ich dachte, sie halten mich für verrückt.

Verändert sich etwas in dir bei oder nach deinen Free Solo-Begehungen?
In dem Moment, wo ich aussteige und von der Wand hinunter gehe, fühle ich persönlich natürlich eine große Befriedigung. Aber es gibt nichts Schwereres, das ich mit meiner Familie und meinen Freunden teilen kann, als Free Solo-Klettereien. Wenn ich nach einem Free Solo nach Hause komme, habe ich immer ein schlechtes Gefühl, weil Free Solo eigentlich etwas ist, was man nicht macht. Man hat ja eine Verantwortung gegenüber seiner Familie und Freunden, und denen gegenüber ist Free Solo einfach nicht vertretbar.

Wie siehst du das, wenn Free Solo-Begehungen gefilmt werden?
Meine Meinung ist, wenn du am Limit free solo kletterst, musst du allein sein. Es ist auch ein Riesenunterschied, ob jemand in der Wand hängt und dir im Fall das Seil herunterlassen kann. Für mich ist es ein unbeschreibliches Gefühl, free solo eine Wand zu durchklettern, und das will ich in dem Moment mit niemandem teilen, auch nicht mit einem Kameramann. Ich habe viele Angebote bekommen, den „Fisch“ noch einmal vor laufender Kamera zu klettern. Ein Film darüber würde die Begehung für mich nicht besser machen, es würde eher die Intensität mindern.

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